Schau genau und lies ein wenig mehr!

Ausstellungen, Entdeckungen

MĂ€rz 47,5 x 21 cm

Ja, bei der KĂŒnstlerin Catherine Labhart und ihren Werken ist es von Vorteil, genauer hinzuschauen und sich auch ein wenig Zeit zu nehmen, um etwas ĂŒber ihre Arbeitsweise zu erfahren. Ich habe die Arbeiten zum ersten Mal bei der Jurierung zu Teximus 2 im Foto gesehen, dann bei der Ausstellung in Zug auch vor zwei Jahren im Original. Ich finde diese gewebten Bildobjekte wunderschön und darum war es schon lĂ€nger mein Wunsch, sie in diesem Blog vorzustellen.

Mai 47,5 x 21 cm

Catherine Labhart ist in Luzern geboren und aufgewachsen. An der UniversitĂ€t ZĂŒrich studierte sie Zoologie und arbeitete dort bis 1988 in der Grundlagenforschung.

Seit 1987 gestaltet sie Tapisserien am Hochwebstuhl. Das RĂŒstzeug dazu hat sie sich weitgehend autodidaktisch angeeignet. Seit 1992 beteiligt sie sich regelmĂ€ssig an Ausstellungen. Seit 2009 lebt sie wieder im Raum Luzern.

Catherine Labhart schĂ€tzt an der jahrhundertealten Technik des Tapisserie-Webens die ruhige Arbeitsweise am Hochwebstuhl: ganz langsam wĂ€chst unter ihren HĂ€nden ein Bild, Zeile um Zeile, von einer Bildkante zur gegenĂŒberliegenden hin.

Sie lĂ€sst sich gerne herausfordern von der Strenge ihrer Technik, die kaum nachtrĂ€gliche Korrekturen erlaubt. Jede neu gewebte FlĂ€che oder Farbnuance muss gewichtet und beurteilt werden im Hinblick auf das fertige Bild, lange bevor dieses als Ganzes sichtbar wird. Jedes Detail muss bereits gewebte Bildelemente ausbalancieren und zusĂ€tzlich eine ausgewogene Basis schaffen fĂŒr noch ungewebte, erst geplante Bereiche des Bildes.

Juni 47,5 x 21 cm

Die Technik des Tapisserie-Webens bringt Farben in einer ganz eigenen Weise zur Wirkung: Da ein eingelegter Schussfaden nur jeden zweiten Kettfaden deckt, setzt er eine waagrechte Linie einzelner Farbpunkte. Der darĂŒber eingelegte Schussfaden deckt dann die vorher ungedeckten KettfĂ€den und setzt so eine weitere Linie leicht versetzter Punkte. Sind ĂŒbereinander eingelegte SchussfĂ€den von unterschiedlicher Farbe, so resultiert eine Farbwirkung, welche dem in der Malerei bekannten Pointillismus verwandt ist. Meist sind die einzelnen SchussfĂ€den ĂŒberdies aus mehreren dĂŒnnen, farblich verschiedenen EinzelfĂ€den zusammengesetzt. Diese interne Farbmischung kann ihrerseits variiert werden, was Ă€usserst subtile FarbĂŒbergĂ€nge ermöglicht.

Catherine Labhart kennzeichnet ihre Bilder durch einen mehr oder weniger versteckten kleinen Schlitz im Gewebe. Sie bezieht sich damit auf eine von Navajo-Indiandern befolgte Regel, die verhindern soll, dass sich die Seele der Weberin im Gewebe verfĂ€ngt. – Catherine Labhart ist dankbar fĂŒr diese Vorstellung einer emotionalen RĂŒckzugsmöglichkeit, denn die meditative Arbeit am Webstuhl geht sehr langsam von statten – es ist leicht, sich darin zu verlieren und vielfĂ€ltigen Gedanken nachzuhĂ€ngen.

4x Schatten je 65 x 65 cm

Catherine Labhart verwendet fast nur Seidengarne als Schussmaterial. Seide reagiert mit ihrem Glanz stÀrker als alle anderen Fasern auf wechselnden Lichteinfall. Da sie weniger elastisch ist als die traditionell verwendete Wolle, betont sie unterschiedliche Gewebestrukturen und belebt so die BildflÀche zusÀtzlich.

Da die KĂŒnstlerin in eher kleinen Formaten arbeitet, prĂ€sentiert sie ihre vergleichsweise leichten Seiden-Tapisserien nicht frei hĂ€ngend. Sie gibt ihnen zusĂ€tzlich Körper, StabilitĂ€t und Gewicht, indem sie ihre Bilder ĂŒber Rahmen spannt.

3x Relief je 40 x 40 cm

Im Folgenden schildert die KĂŒnstlerin, wie sie zum Weben mit Seidengarnen gekommen ist

“ Weil ich von Wolle HautausschlĂ€ge kriege, verwebte ich in meinen ersten Tapisserien vor allem Baumwoll- und Leinengarne. Ich merkte jedoch schnell, dass Leinen zu sperrig ist fĂŒr meine BedĂŒrfnisse. Bei den Baumwollgarnen störte mich, dass die Farbpalette so schnell Ă€ndert, abhĂ€ngig von der jeweiligen Kleidermode. So kam ich dazu, vor allem Seidengarne zu verweben.

Zum GlĂŒck lernte ich einen pensionierten Seiden-Garn-HĂ€ndler kennen, der aus Passion das Handeln nicht ganz lassen wollte und uns Handweberinnen aus seinen LagerbestĂ€nden eher kleine Garnmengen zu sehr guten Konditionen verkaufte. Leider ist dieser Mann inzwischen verstorben, aber ich besitze noch immer viele Garne aus seinem Fundus. Als Mitglied einer Gruppe von Handweberinnen kann ich ĂŒberdies profitieren davon, dass sie in ihren Stoffen öfters Seide in Kette und/oder Schuss verweben: sie ĂŒberlassen mir kleine Rest-Spulen oder die EndabfĂ€lle ihrer Seiden-Zettel. Diese messen je nach Webstuhl bis zu 150 cm. Wenn ich solche Garnreste bekomme, frage ich immer nach der ursprĂŒnglichen Bezugsquelle der Garne um ihre QualitĂ€t und vor allem die Lichtechtheit der EinfĂ€rbungen abschĂ€tzen zu können.

Heute verwende ich meist 6 bis 12 faches Schussmaterial. Manchmal sind die EinzelfĂ€den fein wie NĂ€hfaden, und fast immer ist das SchussfadenbĂŒndel farblich gemischt. So erreiche ich feinste Farbabstufungen im Gewebe. Da Seidengarne sehr schlĂŒpfrig sind, verwende ich weder Gobelin-Hölzchen noch Schmetterlings-BĂŒndel sondern entweder offene FadenbĂŒndel von etwas mehr als ArmlĂ€nge oder eine Art von Plastik-Spulen, die ich ĂŒber eine Kollegin aus Kanada beziehen kann.

Reflexion 2 65 x 65 cm

Tapisserien in Seide zu weben, stellt andere Anforderungen als das Arbeiten mit Wolle. In der fertigen Tapisserie reflektiert das glatte, glĂ€nzende Seidengarn das Licht ganz anders als Wolle. Die vergleichsweise geringe ElastizitĂ€t von Seidengarnen verstĂ€rkt kleine UnregelmĂ€ssigkeiten im Gewebe, und man muss stets bedenken, dass sich grössere Gewebebereiche auf der Kette verschieben können, wenn neu eingelegte SchussfĂ€den zu stark angeschlagen werden. Da Seiden-Tapisserien leichter sind als wollene, können kleinere Formate an der Wand etwas „flatterig“ wirken. Ich montiere daher meine Arbeiten auf Lightwood-Schichtplatten Damit die montierte Tapisserie sich nicht wirft, kann ich die Schussfaden-Enden auf der RĂŒckseite nicht wie ĂŒblich frei hĂ€ngen lassen. Damit sie nicht aus dem Gewebe auf die Vorderseite rutschen können, knote ich sie paarweise zusammen bevor ich sie einkĂŒrze.

Reflexion 4 65 x 65 cm

Die Tatsache, dass Seiden-Schussgarne Unebenheiten im Gewebe betonen, braucht keinen Nachteil und keinen Mangel zu bedeuten, sie kann vielmehr als Gestaltungselement eingesetzt werden. Wurden zum Beispiel benachbarte SchussfĂ€den am Wendepunkt verhĂ€ngt, entstehen dort kleine erhöhte Strukturen, die bei geeignetem Lichteinfall diskrete Schatten auf die GewebeflĂ€che werfen. Sind diese Wendepunkte der SchussfĂ€den zufĂ€llig ĂŒber die BildflĂ€che verteilt, so beleben sie mit ihren Schatten das Gewebebild. Sind sie systematisch angeordnet, bilden die Schatten der resultierenden „Lazy Lines“ ein interessantes Muster.

Vals 1 65 x 65 cm

Mit den Jahren habe ich gelernt, diese speziellen Eigenschaften von Seiden-SchussfĂ€den zu lieben und auf vielfĂ€ltige Weise auszunĂŒtzen. So habe ich heute keine Scheu mehr davor, die teuren Seidengarne einzukaufen. Schlussendlich sind es ja nicht die Kosten fĂŒr das Schussmaterial, die eine Tapisserie teuer werden lassen, sondern die vielen Arbeitsstunden, die fĂŒr ihre Fertigstellung eingesetzt werden mĂŒssen.“

Vals 3 65 x 65 cm
Vals 5 65 x 65 cm

http://www.labhart-tapisserien.ch

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Auf folgende Ausstellung möchte ich aufmerksam machen:

Details aus neuen Arbeiten von Judith Mundwiler


magidunum-museumsgalerie Magden, Aargau – Kunstgalerie